Latexgeschichte über zwei Liebende
Die Moral
Das Vorurteil ist ein unentbehrlicher Hausknecht, der lästige Eindrücke von der Türschwelle weist. Nur darf man sich von seinem Hausknecht nicht selber hinauswerfen lassen. (Karl Kraus)
Sven war heute sehr übellaunig. „Ich könnte diese Tussi umbringen. Erst will sie, dass wir mehr schreiben. Dann erwartet sie, dass wir jeden Mist handschriftlich in die Akten bringen. Nun verlangt sie, dass jeder Mist mit Computer geschrieben und eingeklebt wird – wegen der Leserlichkeit. Jetzt wünscht sie, dass alles mit Schreibmaschine getippt wird, weil wir natürlich nur noch Textbausteine nehmen. Und als allerneustes erwartet sie, dass wir wieder alles mit der Hand schreiben wegen der Authentizität. Wenn der Chef so ein Chaos anordnet, würde ich an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln. Aber dass eine Assistentin des Geschäftsführers jetzt mehr über unsere Arbeit zu sagen hat als wir selbst, das kotzt mich an.“ Er war kaum zu beruhigen. „Schon wenn ich ihre Erscheinung sehe, bin ich sauer. Eine Frau im Anzug ist schon pervers, der Goldschmuck macht sie auch nicht schöner und wenn ich ihre Rolex sehe, dann verstehe ich alle eure Vorurteile gegen Wessis.“ „Sie ist keine Wessi!“ korrigierte ihn Claudia. „Das tut doch überhaupt nichts zur Sache. Dir ist doch sonst auch egal, wo die Wessis herkommen. Sie ist arrogant, völlig abgehoben und sie verlangt Unmögliches.“ Latexgeschichte Die Moral weiterlesen